Abt. 301

Vollständige Signatur

LASH, Abt. 301

Bestand


Identifikation (kurz)


Titel Titel
Oberpräsidium
Laufzeit Laufzeit
(1866-) 1868-1946

Bestandsdaten


Geschichte des Bestandsbildners Geschichte des Bestandsbildners
Nach dem Ende des preußisch-österreichischen Kondominiums, der gemeinsamen Herrschaft, im Jahr 1866 ging das Königreich Preußen daran, die Herzogtümer Schleswig Und Holstein zu annektieren. Zur Durchsetzung der preußischen Herrschaft in der Verwaltung wurde am 10. Juni 1866 Carl Freiherr von Scheel-Plessen durch Proklamation des Königlich Preußischen Gouverneurs zum Oberpräsidenten der Herzogtümer Schleswig und Holstein mit umfassenden Vollmachten ernannt. Seine Befugnisse gingen weit über die eines preußischen Oberpräsidenten hinaus. Erst mit dem Inkrafttreten der preußischen Verfassung in den Herzogtümern am 1. Oktober 1867 reduzierte sich seine Position auf die Rechtsstellung, die derjenigen von Oberpräsidenten in den altpreußischen Provinzen entsprach.
Seine Behörde, das Oberpräsidium, war zunächst in Kiel ansässig, wechselte aber am 1. Oktober 1879 nach Schleswig an den Sitz des Regierungspräsidenten des Regierungsbezirks Schleswig, der für die gesamte innere Verwaltung der Provinz Schleswig-Holstein zuständig war. Am 1. Mai 1917 wurde der Amtssitz des Oberpräsidenten aufgrund eines königlichen Erlasses von Schleswig wiederum nach Kiel verlegt, wo er bis zur Auflösung des Oberpräsidiums im August 1946 verblieb.
Das Oberpräsidium war eine preußische Mittelbehörde. Nach der preußischen Geschäftsinstruktion für die Oberpräsidenten vom 31. Dezember 1825 erstreckten sich seine Aufgaben auf drei Gebiete: erstens die Vertretung der obersten preußischen Staatsbehörden in der Provinz in besonderem Auftrag und bei außergewöhnlichem Anlass, insbesondere bei Gefahr im Verzug und im Kriegsfall, zweitens die allgemeine Oberaufsicht über die Behörden der Provinz und drittens die unmittelbare Verwaltung aller die ganze Provinz betreffenden Angelegenheiten, Anlagen und Anstalten. Der Oberpräsident leitete das Provinzialschulkollegium und das Provinzialmedizinalkollegium. Er erteilte die Genehmigung zur Errichtung von Apotheken, gemeinnützigen Anstalten, Sparkassen sowie Witwen-, Sterbe- und Aussteuerkassen. Er bewilligte Synagogenstatuen, Kollekten, Kram- und Viehmärkte, erteilte Konzessionen für Schauspielergesellschaften und entschied in streitigen Kommunalsachen. Der Oberpräsident hatte eine vornehmlich beobachtende und repräsentative Funktion, die eigentliche Landesverwaltung oblag den Bezirksregierungen, die ebenfalls auf der Verwaltungsebene der preußischen Mittelbehörden angesiedelt waren. Die Regierungspräsidenten hatten dem Oberpräsidenten über alle Belange der Provinz zu unterrichten. Im Gegensatz zu den anderen preußischen Provinzen gab es in Schleswig-Holstein allerdings nur einen Regierungsbezirk und damit nur einen Regierungspräsidenten.
Durch die Verordnung betreffend die Provinzialständische Verfassung im Gebiet der Herzogtümer Schleswig und Holstein vom 22. September 1867 wurden dem Oberpräsidenten auch die ständischen Angelegenheiten und die Provinziallandtagssachen übertragen. Er berief als Königlicher Commissarius die Sitzungen des Provinziallandtags ein und eröffnete sie. Außerdem hatte er die Aufsicht über die Verwaltung des Provinzialverbandes und war Vorsitzender des Provinzialrats (siehe unten).
In den 1870er- und 1880er-Jahren weitete eine Reihe von Gesetzen, die im Zuge der damaligen Verwaltungsreform erlassen wurden, die Kompetenzen des Oberpräsidenten erheblich aus. In bestimmten Fällen wurde er letzte Beschwerdeinstanz, so bei Polizeiverfügungen. Seine Aufgabenvielfalt ist dem "Handbuch der Verfassung und Verwaltung in Preußen und dem Deutschen Reiche" von 1930 zu entnehmen: Die Wasserstraßenverwaltung, die Seeämter, der Wasserbeirat sowie die Polizei- und Landjägereischulen gehörten zum unmittelbaren Geschäftsbereich des Oberpräsidenten.
Seiner Leitung beziehungsweise Oberaufsicht unterstanden die Regierung und der Regierungspräsident, das Provinzialschulkollegium, das Landeskulturamt, der Landlieferungsverband, der Provinzialverband und sonstige ständische Verbände, die Landschaften, der Oberfischmeister, die Eichungsdirektion, der gerichtsärztliche Ausschuss, die öffentlichen Lebens- und Feuerversicherungsanstalten sowie die berufsständischen Provinzialverbände der Landwirtschaftskammer, Ärztekammer, Apothekerkammer und Tierärztekammer. Während des Ersten Weltkriegs kamen temporär noch Zuständigkeiten im Bereich der Zwangswirtschaft hinzu, die der Staat zur Sicherstellung der Ernährung eingerichtet hatte.
Im Zuge der Verwaltungsreform in der Zeit der Weimarer Republik wandelte sich das Amt des Oberpräsidenten: Durch die preußische Verordnung zur Vereinfachung der Verwaltung vom 3. September 1932 wurde die Instruktion des Oberpräsidenten von 1825 aufgehoben. Nach dieser Instruktion war der Oberpräsident zwar Verwaltungschef der Provinz, jedoch nicht Vorgesetzter des Regierungspräsidenten, der direkt dem preußischen Innenministerium in Berlin unterstand. Dennoch war es immer wieder zu Reibungen zwischen den beiden Mittelbehörden Oberpräsidium und Regierungspräsident gekommen. Diesen alten Konflikt versuchte die Verordnung von 1932 zu beheben, indem sie festlegte, dass der Oberpräsident nicht Instanz zwischen dem Staatsministerium und dem Regierungspräsidium, sondern Kommissar der Staatsregierung in der Provinz sein sollte. Ferner gingen mit dieser Verordnung die Aufgaben des Provinzialschulkollegiums sowie die Aufsicht über die höheren Landwirtschaftsschulen auf den Oberpräsidenten über.
Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme wurde das Amt des Oberpräsidenten neu gestaltet. Das preußische Gesetz über die Erweiterung der Befugnisse des Oberpräsidenten vom 15. Dezember 1933 machte ihn zum ständigen Vertreter der preußischen Staatsregierung in der Provinz. Er erhielt dadurch das volle Weisungsrecht gegenüber den nachgeordneten Behörden. Zugleich wurden die Landtage und Ausschüsse auf Provinzialebene aufgelöst. Dem Oberpräsidenten war damit gemäß dem Führerprinzip die oberste Leitung der bisherigen provinzialen Selbstverwaltung übertragen. Durch die zweite Verordnung über den Neuaufbau des Reichs vom 27. November 1934 wurde der Oberpräsident überdies ständiger Vertreter der Reichsregierung in der Provinz. Sämtliche Reichs- und Landesbehörden sowie die Dienststellen der unter Reichsaufsicht stehenden öffentlich-rechtlichen Körperschaften innerhalb der Provinz wurden dem Oberpräsidenten unterstellt. Das Oberpräsidium erhielt damit den Charakter einer Reichsbehörde, sowohl der Regierungspräsident als auch der Landeshauptmann als Leiter der Provinzialverwaltung unterstanden nun der umfassenden Weisungsbefugnis des Oberpräsidenten. Überdies war sein Amt in Schleswig-Holstein, wie auch in anderen preußischen Provinzen üblich, mit dem Parteiposten des NSDAP-Gauleiters gekoppelt, um die von den Nationalsozialistischen Machthabern betriebene Verknüpfung zwischen Staat und Partei zu gewährleisten.
Nach dem Ende der NS-Herrschaft stand der Oberpräsident ab Mai 1946 an der Spitze der voneinander getrennten Landesregierung und Landesverwaltung. Er bildete zusammen mit den ehrenamtlichen Landesministern die Regierung. Durch die Militärregierungsverordnung Nr. 46 vom 23. August 1946 der britischen Kontrollkommission, die den bisherigen preußischen Provinzen die staatsrechtliche Stellung von Ländern zusprach, wurde der frühere preußische Oberpräsident der Provinz Schleswig-Holstein zum Ministerpräsidenten des neuen Landes Schleswig-Holstein.
Seit 1883 existierte neben dem Oberpräsidium der Provinzialrat als Behörde der allgemeinen Landesverwaltung. Er wurde im Zuge der preußischen Bemühungen um Verwaltungsreformen mit dem Gesetz über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 als Einrichtung der politischen Selbstverwaltung im Sinne einer Beteiligung der Bürger an der staatlichen Verwaltung eingeführt. Der Provinzialrat bestand aus dem Oberpräsidenten als Vorsitzenden, einem vom Minister des Innern ernannten höheren Verwaltungsbeamten und fünf weiteren Mitgliedern. Diese wurden vom Provinzialausschuss gewählt, dem Organ zur Verwaltung des Provinzialverbandes.
Die Aufgaben des Provinzialrats waren vergleichsweise gering. Er war für Beschwerden über Beschlüsse der Bezirksausschüsse zuständig, soweit diese nicht nach gesetzlicher Vorschrift endgültig waren. Außerdem war der Oberpräsident beim Erlass von Polizeiverordnungen von der Zustimmung des Provinzialrats abhängig.
Die Akten des Provinzialrats waren in Schleswig-Holstein in die Registratur des Oberpräsidiums eingeflossen, bildeten dort aber einen eigenen Bereich.
Bestandsgeschichte Bestandsgeschichte
Während die Akten aus den Anfangsjahren 1866 bis 1868 des ersten preußischen Oberpräsidenten der Provinz Schleswig-Holstein aufgrund seiner besonderen Funktion, die weit über die regulären Befugnisse eines Oberpräsidenten hinausreichte, den Bestand Abt. 59.3 im Landesarchiv bilden, wurde die nachfolgende Oberpräsidialüberlieferung in dem Bestand Abt. 301 verzeichnet. Die zeitliche Abgrenzung der beiden Abteilungen ist jedoch nicht ganz exakt eingehalten.
Der Bestand Abt. 301 enthält auch die Akten des Provinzialrats, des geologischen Kurators des Oberpräsidenten für die Westküstenforschung Prof. Dr. Karl Gripp, eine Sammlung von Nachweisen über verschiedenste Gebiete der Provinzialverwaltung und die Zeitungsausschnittsammlung des Literarischen Büros beim Oberpräsidenten. Ferner sind in Abt. 301 Akten von folgenden Behörden verzeichnet, die während des Zeiten Weltkriegs 1939 bis 1945 beim Oberpräsidenten eingerichtet waren: Preisbildungsstelle, Landeswirtschaftsamt beim Oberpräsidenten und Leitender Medizinalbeamter beim Oberpräsidenten.
Für die Zeit ab 1933 ist die Oberpräsidialüberlieferung durch Kriegseinwirkungen großenteils verlorengegangen.
Die Akten des Bestandes Abt. 301 sind in zahlreichen Ablieferungen zwischen 1916 und 2000 in das Landesarchiv gelangt. Als Findmittel dienten zunächst die mit Archivsignaturen versehenen Abgabelisten.
1971 erstellte Archivassessor Dr. Martin Reißmann ein erstes vorläufiges Findbuch. Es war vor allem eine Zusammenfassung der Abgabelisten, gegliedert nach dem alphabetischen Registraturplan des Oberpräsidiums. Dieses Findbuch, das auch eine Übersicht über die einzelnen Aktenzugänge enthält, ist an das Ende des Bestandes unter der Nr. 7456 eingelegt worden. Die Abgabelisten sind unter Nr. 3131 und 6171 zu finden.
Die Akten des Oberpräsidiums wurden neu geordnet. Aktentitel und Laufzeiten wurden überarbeitet und korrigiert. Große Aktenvolute, die bereits Archivsignaturen trugen, wurden aufgelöst und daraus kleinere Verzeichnungseinheiten mit neuen Nummern gebildet. Eine Konkordanz dazu befindet sich in dem im Landesarchiv vorgehaltenen Findbuch. Zudem wurden die nach 1971 erfolgten Aktenablieferungen, bei denen es sich vor allem um Personalakten aus dem ehemaligen Landeskulturamt handelt, sowie einige Zugänge, deren Weg ins Landesarchiv nicht mehr nachvollziehbar war, in den Bestand eingearbeitet.
Die Klassifikation orientiert sich am alten Registraturplan, allerdings sind verwandte Gruppen zusammengefasst und in Untergruppen stark gegliedert worden, um den systematischen Zugriff zu erleichtern.
Literatur Literatur
Die Oberpräsidenten von Schleswig-Holstein 1864-1945/46. In: Grundriß zur deutschen Verwaltungsgeschichte 1815-1845. Reihe A: Preußen. Bd. 9: Schleswig-Holstein. Bearb. von Klaus Friedland und Kurt Jürgensen. Marburg/Lahn 1977, 149ff.
Graf Hue de Grais: Handbuch der Verfassung und Verwaltung in Preußen und dem Deutschen Reiche. 21. Aufl. Berlin 1912, 75 und 25. Aufl. 1930, 101ff.
Oswald Hauser: Staatliche Einheit und regionale Vielfalt in Preußen. Der Aufbau der Verwaltung in Schleswig-Holstein nach 1867. Neumünster 1967.
Hundert Jahre Landesverwaltung Schleswig-Holstein. Hrsg. im Auftrage der Landesregierung vom Innenminister des Landes Schleswig-Holstein. Kiel 1967.
Kurt G. A. Jeserich/Hans Pohl/Georg-Christoph von Unruh: Deutsche Verwaltungsgeschichte Bd. 2, 455ff und 779ff, Bd. 3, 687ff, Bd. 4, 551ff. Stuttgart 1983-1988.
Kurt Jürgensen: Der Amtssitz des Oberpräsidenten in der Provinz Schleswig-Holstein. In: Zeitschrift der Gesellschaft für schleswig-holsteinische Geschichte 118 (1993), 167-210.
Klaus Schwabe (Hrsg.): Die preußischen Oberpräsidenten 1815-1945 (Deutsche Führungsschichten in der Neuzeit Bd. 15. Büdinger Forschungen zur Sozialgeschichte 1981). Boppard am Rhein 1985.
Findmittel Findmittel
Gedrucktes Findbuch: Veröffentlichungen des Schleswig-Holsteinischen Landesarchivs Nr. 87.

Siehe


Korrespondierende Archivalien Korrespondierende Archivalien
Die Überlieferung aus der Zeit von 1866 bis 1868 befindet sich in Abt. 59.3 (siehe Bestandsgruppe "Schleswig-Holstein insgesamt").
Zugehörige Karten befinden sich in Abt. 402 A 11 (siehe Bestandsgruppe "Karten und Bilder").

Weitere Angaben (Bestand)


Umfang in lfd. M. Umfang in lfd. M.
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